Dampfromantik unter Druck: Warum Sachsens Schmalspurbahnen ums Überleben kämpfen

Die Dampfloks schnaufen, es zischt und ruckelt, wenn sich die Wagen in Bewegung setzen. Wer einmal mit einer Schmalspurbahn in Sachsen gefahren ist, weiß: Das ist keine gewöhnliche Bahnfahrt, sondern ein Erlebnis mit allen Sinnen. Besonders an Wochenenden drängen sich die Gäste in den offenen Aussichtswagen, machen Fotos, lassen sich den Wind um die Nase wehen und genießen ein Stück Nostalgie. Doch hinter der romantischen Fassade steckt eine ernste Realität: Sachsens Schmalspurbahnen kämpfen ums finanzielle Überleben.

9 Uhr in Radebeul: Volle Wagen, volle Begeisterung

Ein Morgen am Bahnhof Radebeul Ost. Kurz vor der ersten Abfahrt der Lößnitzgrundbahn, die sich durch Wälder und Felder bis Moritzburg schlängelt, hat sich eine Schlange gebildet. Besonders begehrt: der offene „Cabrio-Wagen“. Viele Ausflügler wollen den Sommer nutzen, um nostalgisch und zugleich entspannt in die Ferienregion zu fahren. Mirko Frohs, Eisenbahnbetriebsleiter der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft (SDG), sagt dazu „Die Bahnen werden gut angenommen. Gerade jetzt, wo in anderen Bundesländern Ferien sind, merkt man, dass viele Leute wandern gehen und die Dampfbahn für den Ausflug nutzen.“ Die Nachfrage ist also da. Doch wirtschaftlich sind die Züge schon lange nicht mehr rentabel.

Von der Wirtschaftslokomotive zum Zuschussbetrieb

Die Geschichte der sächsischen Schmalspurbahnen beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. 1881 wurde die erste Strecke zwischen Wilkau und Kirchberg eröffnet. Der Grund für die schmale Spur von 750 Millimetern war pragmatisch: Normale Eisenbahnstrecken wären in den bergigen Regionen Sachsens zu teuer gewesen. Mit der Schmalspur ließen sich enge Radien bauen, leichtere Brücken errichten und abgelegene Orte kostengünstig erschließen.

Ursprünglich waren die Bahnen durchaus wirtschaftlich. Sie transportierten Holz, Steine, Kohle und landwirtschaftliche Produkte aus den ländlichen Regionen zu den Hauptstrecken. Auch für Schüler, Arbeiter und Händler waren sie ein wichtiges Verkehrsmittel. Doch mit der Verbreitung von Autos, Bussen und Lkw nahm die Bedeutung der Schmalspurbahnen stetig ab.

Ab den 1960er-Jahren wurden viele Linien stillgelegt. Was blieb, waren einzelne Strecken, die nicht nur touristisches Potenzial hatten, sondern auch als technisches Kulturerbe geschätzt wurden. Die Lößnitzgrundbahn zwischen Radebeul und Moritzburg oder die Weißeritztalbahn von Freital nach Dippoldiswalde gehören heute zu den bekanntesten. Seit der Wende gilt jedoch: Wirtschaftlich sind die Bahnen nicht. Sie überleben nur mit erheblichen Zuschüssen des Freistaates Sachsen.

Ein Zuschuss, der schrumpft

Genau diese Zuschüsse werden nun gekürzt. Der sächsische Doppelhaushalt 2025/26 sieht vor, die Mittel für die SDG um rund 900.000 Euro pro Jahr zu reduzieren – das entspricht zehn Prozent. Die Folgen sind deutlich spürbar: weniger Fahrten, insbesondere am Abend, ein Investitionsstopp bei Fahrzeugen und Infrastruktur, eingeschränkte Instandhaltung.

Schon seit Jahresbeginn spart die SDG. „Die wesentlichen Ersparnisse können wir nur bei den Fahrzeugen, also Loks und Gleisen, realisieren“, erklärt Betriebsleiter Mirko Frohs. „Wir machen an den Gleisen nur das, was erforderlich ist. Nichts sicherheitskritisches. Aber wir müssen die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren.“

Das bedeutet konkret: Jahr für Jahr werden Wagen aufs Abstellgleis geschoben, weil keine Hauptuntersuchung mehr möglich ist. Ohne diese umfassende technische Prüfung dürfen Loks und Wagen nicht mehr fahren.

Was das für die Fahrgäste heißt

Für die Besucher spürt man die Einsparungen vor allem beim Komfort. Statt breiter Sitzplatzwahl müssen sich die Gäste häufiger zusammendrängen. Besonders an sonnigen Tagen, wenn die offenen Wagen beliebt sind, könnte es eng werden. Frohs warnt: „Was hat das für Konsequenzen für den Kunden? Er hat weniger Komfort und drängelt sich in Züge rein. Das ist nicht die Qualität, die wir haben wollen. Es ist sächsisches Kulturgut. Wir würden gerne mehr machen, um die Situation künftig zu verbessern.“ Ein Luxusproblem? Keineswegs. Wer die Schmalspurbahn einmal als überfüllte Touristenattraktion erlebt, könnte beim nächsten Mal auf die Fahrt verzichten. Damit droht ein Teufelskreis: Weniger Geld führt zu weniger Qualität, weniger Qualität zu weniger Fahrgästen – und das wiederum zu weniger Einnahmen.

Die Dampfbahnen sind Kulturgut. Sie erzählen von der Industrialisierung Sachsens, von der Mühsal und der Ingenieurskunst vergangener Zeiten. Sie sind rollende Museen, die mit Rauch, Dampf und Nostalgie ein Stück Eisenbahngeschichte erlebbar machen. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Baustein des Tourismus. Wer nach Moritzburg fährt, verbindet den Schlossbesuch gern mit einer Fahrt auf der Lößnitzgrundbahn. Und die Weißeritztalbahn lockt Gäste ins Osterzgebirge – eine Region, die sonst touristisch schwerer zu erreichen wäre.

Kurzum: Ohne Dampfbahnen fehlt ein Stück Identität – und ein touristisches Highlight, das jedes Jahr zehntausende Besucher anzieht.

Der Spagat zwischen Sparzwang und Anspruch

Die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft steht damit vor einem schwierigen Spagat. Einerseits will man Sicherheit und Qualität gewährleisten, andererseits sind die Mittel so knapp, dass nur noch das Nötigste getan werden kann. Frohs bringt es auf den Punkt: „Vorbeugende Instandhaltung wäre nachhaltiger, aber sie lässt sich momentan nicht umsetzen.“ Das heißt: Man repariert nicht mehr, bevor ein Schaden entsteht, sondern nur, wenn es absolut notwendig ist. Für ein technisches System wie eine Dampflok oder eine historische Brücke ist das ein riskantes Spiel.

Kürzungen im Fahrplan

Besonders sichtbar wird der Sparkurs beim Fahrplan. Ab dem 1. September fahren die letzten beiden Züge der Lößnitzgrundbahn und der Weißeritztalbahn nur noch an Wochenenden und Feiertagen. Ab dem 3. November dann sogar nur noch an ausgewählten Tagen. Eine kurzfristige Lösung – denn langfristig brauchen die Bahnen eine gesicherte Finanzierung.

Immerhin: Die Kürzungen bedeuten nicht, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Die Mitarbeiter der Dampfbahnen können aufatmen. Doch auch hier gilt: Wenn über Jahre hinweg zu wenig Geld in Instandhaltung und Fahrzeuge fließt, könnte das irgendwann auch Personal treffen.

Frohs macht klar, dass es eine Zwischenlösung ist. Ab 2027 brauche man wieder deutlich mehr Mittel, um das Netz und die Züge in einem Zustand zu halten, der den Erwartungen der Gäste entspricht.